Erfurt. Die emotionale Kunst des 1987 verstorbenen José Afonsos wird dieser Tage lebendig: Beim Folk-Festival in Rudolstadt und mit einer Neuauflage seines berühmten Live-Albums „Ao Vivo no Coliseu“.

Die Stimme, markant und kraftvoll wie eh und je, hält. Es ist eines seiner letzten Konzerte als José Afonso am 29. Januar 1983 im altehrwürdigen Konzertsaal Coliseu dos Recreios von Lissabon steht, mit einer Reihe von Mitstreitern an seiner Seite. Der portugiesische Musiker, Freiheitskämpfer und Nationalheld leidet bereits an ALS, einer unheilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems.

Im Mai desselben Jahres wird er zum letzten Mal auf einer Bühne singen, vier Jahre später stirbt José Afonso, mit 57 Jahren.

Hymne der Nelkenrevolution in Portugal

Dieser Abend im Januar 83 aber wird noch einmal ein großer Triumph für Zeca, wie er auch genannt wird. Es ist eine emotionale und rührende Feier der sowie eine Erinnerung an die Kraft der Musik; auch an die Ereignisse neun Jahre zuvor. 1974 beginnt in Portugal die Nelkenrevolution und das Ende der Estado-Novo-Diktatur mit einem Lied – Afonsos „Grândola, Villa Moena“. Als das Stück im Radio gespielt wird, ist es das verabredete Zeichen zum Marsch auf die Institutionen.

Das Cover des Albums „Ao Vivo no Coliseu“ von José Afonso.
Das Cover des Albums „Ao Vivo no Coliseu“ von José Afonso.

Am Ende des Konzerts intoniert Afonso diese Hymne der Freiheit, dieses Signal der Befreiung – und muss nicht viel dazu tun, denn das Publikum stimmt aus Tausenden Kehlen mit ein. Ein Gänsehautmoment.

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Man muss nicht unbedingt dabei gewesen sein, um die Ergriffenheit dieses Abends zu erfahren. Bereits im Jahr des Konzerts veröffentliche Afonso einen Mitschnitt des Auftritts unter dem Titel „Ao Vivo no Coliseu“. Jetzt, rund um den 50. Jahrestag der Nelkenrevolution, ist das fast zweistündige Live-Album als Dreifach-Vinyl oder Doppel-CD neu erschienen, in deutlich verbesserter Klangqualität.

Mehrere Klangquellen für Restaurierung des Konzertmitschnitts

Afonsos Kinder und Nuno Saraiva vom Plattenlabel Mais 5 kümmern sich seit ein paar Jahren um Zecas musikalisches Vermächtnis. Für die Neuveröffentlichung von „Ao Vivo no Coliseu“ nutzten die beauftragten Sound-Experten des Soundgarden Tonstudios in Hamburg mehrere Klangquellen, um das Konzert zu rekonstruieren. Als zusätzliches Ausgangsmaterial verwendeten sie sogar analoge Tonaufnahmen von unveröffentlichtem Filmmaterial des Auftritts, die mit bestehenden und ebenfalls restaurierten Audiomitschnitten gemischt wurden.

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Die 22 Songs bieten einen Überblick über Afonsos Schaffen, die mit, wie so oft, einfachen musikalischen Mitteln und wenigen Instrumenten, aber großer Wirkung dargeboten wurden und seine vielen Einflüsse, etwa aus Afrika, referenzieren. Ungewöhnlich für ein Live-Album und nicht minder eindrucksvoll die scheinbar ungeschnittenen fünfminütigen Standing Ovations am Ende des Konzerts. Im Mittelpunkt aber steht stets Afonsos nach vorn gemischte Stimme, die, so scheint es mit ihrer Mischung aus Tradition, Erneuerung und Emotionalität tief an der portugiesischen Volksseele rührt.

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Es bleibt nicht die einzige Hommage an José Afonso in diesem Jahr. Eine Tribute-Band mit Musikern aus Portugal, Angola und Mosambik hat sich zusammengefunden, um das Werk Afonsos auf die Bühne zu bringen. Das Bandprojekt „José Afonso: Wanderer Songs“ spielt auch in Thüringen. Am Freitag, 5. Juni 2024, treten die Musiker 18.30 Uhr auf der Hauptbühne des Rudolstadt-Festivals auf. Afonsos Sohn Pedro wird ebenfalls am Freitag, 14 Uhr, am Fuße der Heidecksburg in der Rudolstädter Bibliothek mit den Musikern an einer Diskussionsrunde teilnehmen.

Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen gibt es hier.

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