Berlin. Wenn es um Wein geht, haben die Deutschen seit Jahren einen klaren Favoriten. Ein Winzer erklärt, welcher Tropfen am beliebtesten ist.

Zarter Weißer, leichter Rosé oder lieber ein vollmundiger Roter? Wenn es um die Auswahl des richtigen Weines geht, stehen wir oft vor der Qual der Wahl. Gerade an einem schönen Sommertag kann ein richtig guter Wein zum Essen auf der Terrasse oder im Garten die fehlende Note liefern. Studien zeigen, dass die Deutschen gerade in der warmen Jahreszeit öfter zum Weißwein als zum Rotwein greifen. Aber warum ist das eigentlich so?

Antworten hat Winzer Manfred Lindicke. Der Weinexperte führt im Erholungsort Werder an der Havel direkt vor den Toren Berlins ein Weingut im Familienbetrieb mit eigener Kelterei. Beim Keltern wird der Traubenmost aus der Maische, einem Gemisch aus Most, Beerenschalen und Kernen, gepresst.

Welchen Wein die Deutschen wann am liebsten trinken, weiß der Winzer aus Erfahrung: „Auch wenn jetzt im Sommer sehr viel Roséwein getrunken wird – Deutschland bleibt Weißweinland.“ Im Herbst und Winter nehme zwar der Verbrauch von Rotwein deutlich zu, aber „das sind nur jahreszeitlich bedingte Schwankungen.“

Diese Weinsorten trinken die Deutschen am liebsten

„Gerade bei den hohen Temperaturen, die wir gerade haben, macht es wenig Sinn zum Rotwein zu greifen mit 13 oder 14 Prozent Alkohol“, so Lindicke. Da gehe der Trend eindeutig zu den leichteren Sommerweinen: „Die sind in der Regel weiß oder rosé mit zehn oder elf, maximal zwölf Prozent Alkohol.“ Alkoholfreier Wein stelle, so Lindicke, noch eine Niesche dar: „Die Qualität und der Geschmack können in vielen Fällen noch nicht überzeugen und der Aufwand zur Entalkoholisierung ist sehr hoch und deshalb die Preise für den Wein auch.“

Im Sommer trinken die Deutschen am liebsten Weißwein – gerne eisgekühlt.
Im Sommer trinken die Deutschen am liebsten Weißwein – gerne eisgekühlt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Anders als in Frankreich, wo nach jüngsten Berichten immer weniger Wein als die Jahre zuvor getrunken wird, hat sich der Weinverbrauch in Deutschland laut Lindicke kaum verändert. Pro Kopf trinken die Deutschen durchschnittlich knapp über 20 Liter Wein in einem Jahr. Das teilt das Deutsche Weininstitut mit. 2019 haben sie erstmals mehr Weißwein als Rotwein getrunken. So waren 46 Prozent der eingekauften Weine Weißweine und nur 44 Prozent Rotweine.

Laut dem Magazin Weinkenner ist der Riesling die am häufigsten produzierte Weißweinsorte Deutschlands. Aber auch Weißburgunder oder Chardonnay seien beliebt, so Winzer Lindicke. „Hier in Brandenburg sieht es anders aus“, so der Kenner. „Hier werden eher neue moderne Rebsorten angebaut, wie Kernling oder Schönburger, weil wir keine so große Tradition haben mit den herkömmlichen Sorten, wie es zum Beispiel in Rheinhessen der Fall ist.“

Allerdings griffen die Deutschen derzeit immer mehr zu den billigeren ausländischen Weinen, was der Winzer auf die Inflation zurückführt. Orangenweine, Naturweine oder Spezialitäten seien eher unbeliebt beim Kauf.

Welcher Wein schmeckt im Winter besser?

Besonders im Winter aber schmeckt Lindickes Erfahrung nach vielen Deutschen der Rotwein besser. „Wenn die Tage wieder kühler werden, die Abende länger und das Kaminfeuer lodert, dann liegt der Rotwein wieder vorne.“ Rotwein passt aber nicht nur besser zur winterlichen Atmosphäre, sondern auch zu den Speisen. „Da wird mehr Wild oder gebratenes Geflügel gegessen oder auch geräucherter Fisch – da passt ein strammer Rotwein besser dazu.“

Mitarbeiter ernten beim Abschluss der Weinlese des Weingutes Schloss Proschwitz Trauben der Sorte Riesling. Diese Weinsorte wird in Deutschland am häufigsten angebaut.
Mitarbeiter ernten beim Abschluss der Weinlese des Weingutes Schloss Proschwitz Trauben der Sorte Riesling. Diese Weinsorte wird in Deutschland am häufigsten angebaut. © picture alliance/dpa | Robert Michael

Beim Rotwein habe Deutschland einige Favoriten. „Wir sind Spätburgunderland“, sagt der Experte. Durchaus gebe es aber jetzt auch neue, sehr interessante Rotweinsorten, die den Vergleich mit französischen oder italienischen Weinen nicht scheuen müssen. Das seien etwa der Regent, Pinot Noir oder Cabernet.

Wein: So wirkt sich die Herstellung auf den Geschmack aus

Dass Rotwein der schwerere Wein ist, liegt nicht nur an den Trauben, sondern auch an seiner Herstellung. „Rotwein wird nach traditioneller Methode in der Maische vergoren, das heißt er kommt mit Stumpf und Stiel in eine große Wanne und vergärt dort“, erklärt Klaus Wolenski, der mit seiner Familie das Weingut Klosterhof in Töplitz führt. Durch die Gärung enthalte der Wein sogenannte Tanine, die ihm eine andere, schwerere Geschmacksrichtung geben.

„Weißweine werden entrappt, das heißt die Stiele kommen weg, sie werden gepresst und es wird nur der Most vergoren“, so der Experte weiter. „Dadurch sind Weißweine deutlich leichter im Geschmack. Die Rebsorten an sich sind schon deutlich leichter.“ Weißwein würden oft kühl getrunken, was perfekt zum Sommer passe. Außerdem habe der Weißwein mehr Säure als Rotwein. Diese füge sich in den Geschmack ein und wirke erfrischend.

Experte: Rotwein kann Herzkrankheiten vorbeugen

Doch nicht nur für unser Wohlbefinden, sondern auch für unsere Gesundheit sei Wein gut. Manfred Lindicke erklärt: „Wein reduziert Herz-Kreislaufprobleme und ist auch für die Verdauung gut. In Maßen getrunken kann Wein sehr wertvoll sein.“ Das ist aber vor allem bei Rotwein der Fall. Dieser enthält nämlich den Pflanzenstoff Resveratrol. Er aktiviert einen Botenstoff im Körper, der die Blutgefäße vor Verkalkung schützt und somit etwa das Risiko auf Herzinfarkte verringert.

Auf die heilende Wirkung hat das Alter des Weines übrigens keine Auswirkungen. Auch dem Mythos, älterer Wein sei immer besser als jüngerer, kann Winzer Lindicke nicht vorbehaltlos zustimmen: „Bei Rotwein erreichen viele Weine erst nach drei bis fünf Jahren Lagerung auf der Flasche ihr volles Potenzial. Bei der Masse der Weißweine ist es eher so, dass sie frisch getrunken werden sollten“, so sein Fazit.