Heiligenstadt. Placida-Empfang in Heiligenstadt mit 100 Gästen und Ordensschwestern. Ehemalige Kulturstaatsministerin hält interessanten Vortrag.

„Freiheit und Eigenverantwortlichkeit mit Solidarität zu verbinden, ist eine große Errungenschaft unserer Demokratie in Deutschland“, betonte die ehemalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) beim Placida-Empfang vor 100 Gästen und Ordensschwestern jetzt im Bergkloster in Heiligenstadt. In ihrem Vortrag, der als Predigt Bestandteil der Vesper war, erklärte sie, warum das christliche Verständnis der Barmherzigkeit eine wichtige Grundlage dieses Solidaritätsgedankens ist, dass Politik aber nie um Kompromisse herumkomme und daher auch manchmal unbarmherzig sei.

Grütters, die seit 2005 im Bundestag ist und von 2013 bis 2021 Staatsministerin als Beauftragte der Merkel-Regierung für Kultur und Medien war, erläuterte das besondere Spannungsverhältnis zwischen Barmherzigkeit und Politik, in der es nicht immer möglich sei, wie der Samariter aus dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu handeln. Und doch müsse man immer wieder seine Rolle suchen und sich fragen, wem wir der Nächste sind. „Da spiegelt die Politik wider, was wir alle erfahren. Wir alle prägen die politische Kultur in unserem Land. In der Art zu arbeiten, wie wir unseren Blick auf andere richten, ob wir bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“

Der Begriff der Barmherzigkeit spielt auch bei Maria Magdalena Postel als Ordensgründerin und ihrer Nachfolgerin Placida Viel eine zentrale Rolle. Grütters definierte ihn über die Hilfsbereitschaft hinaus mit Nächstenliebe und Humanität.

Für das Spannungsverhältnis zwischen politischem Handeln und Barmherzigkeit sieht sie drei Probleme: Erstens sei die Politik immer mit einer Vielzahl von Bedürfnissen konfrontiert – nie mit Einzelfällen. Politik könne nie allen gleichzeitig gerecht werden.

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Zweitens lägen Machbares und Wünschenswertes – anders als für den Samariter in seiner konkreten Situation – oft weit auseinander. „Die Frage des Umgangs mit Flüchtlingen etwa lässt sich nur gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn lösen.“ Und drittens zwinge Politik immer wieder zu Kompromissen: „Sie muss immer um Mehrheiten werben. Und wir alle wissen: Das Ergebnis ist oft der kleine gemeinsame Nenner.“

Wegbereiter für Verständigung und Toleranz

Monika Grütters sieht laut Holger Hirsch-Mahnke, Sprecher der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, aber auch Zusammenhänge, in denen Barmherzigkeit ein moralischer Kompass für die Politik und jeden Einzelnen sein könne: Beispielsweise als Wurzel der Gerechtigkeit, wie es die katholische Soziallehre beschreibe: „Sie verortet den Menschen in der sozialen Marktwirtschaft. Dort soll jeder Mensch mit seinen Talenten wuchern können. Andererseits stellt sie einen Ausgleich zwischen Stärkeren und Schwächen her. Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Teilhabe und Gerechtigkeit, ohne zum Bittsteller zu werden.“

Zudem sei Barmherzigkeit ein wichtiger Wegbereiter für Verständigung und Toleranz: „Verständigung setzt Verstehen voraus.“ Antisemitische Übergriffe zeigten, dass dieser Weg nie zu Ende sei. Monika Grütters warb in dem Zusammenhang für mehr Empathie in der Politik.

Nach dem Vortrag waren die Gäste zur Begegnung und zum Imbiss ins Kloster eingeladen. Die Diskussion um die Thesen von Grütters wurde dort lebhaft fortgeführt, so Hirsch-Mahnke.

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