Berlin. Der Krieg in der Ukraine hat auch dramatische Auswirkungen auf die Tierwelt. Drohnen und Flugzeuge vertreiben Adler aus dem Luftraum.

Der Ukraine-Krieg ist eine Katastrophe – für Mensch und Umwelt. Laut einem Beitrag des ukrainischen Klima-Experten Oleksandr Opanasenko auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) umfassen die Ökosysteme der Ukraine 35 Prozent der Artenvielfalt Europas. Doch diese 70.000 Arten leben seit dem Kriegsbeginn im Februar 2022 im ständigen Stress und müssen sich anpassen. So auch der gefährdete Schelladler.

Über der Ukraine kämpfen Drohnen, Kampfjets, Hubschrauber und Flugabwehr um die Lufthoheit. Der Himmel ist Kriegsgebiet. Kommerzielle Fluglinien vermeiden die Flugrouten. Wissenschaftler veröffentlichen nun Ergebnisse dazu, wie die Adler ihre übliche Migrationsroute durch die Ukraine zunehmend vermeiden.

Schelladler reagieren auf Artillerie, Flugzeuge und Drohnen

Eine im Fachjournal „Current Biology“ veröffentlichte Studie untersuchte das Verhalten von den Schelladlern, deren jährliche Migration sie von Griechenland und dem Südsudan über die Ukraine nach Belarus führt. Die Forscher hatten die Vögel bereits mit GPS-Trackern ausgestattet, als im Februar 2022 der Krieg ausbrach. Über März und April 2022 verfolgten sie die Adler auf dem Weg zum Brutgebiet in Belarus. Zu dieser Zeit gab es besonders heftige Kämpfe um Kiew, Russlands Invasionstruppen griffen von Belarus aus die ukrainische Hauptstadt an.

Das britisch-estnische Forschungsteam verglich die Flüge der Adler mit Echtzeitdaten des „Armed Conflict Location and Event Data“- Projekts, das Truppenbewegungen und Kampfhandlungen in der Ukraine online aufzeichnet. Das Ergebnis: Die Schelladler umflogen gezielt die Soldaten, Kampfjets, Panzer und Artillerie, die sich in der Ukraine so heftig bekämpfen. Auch machten sie viel weniger häufig Halt oder verzichteten gänzlich auf einen Rastplatz in der Ukraine.

Die Adler mussten deshalb weiter und länger als üblich zu ihrem Brutgebiet reisen. Ein Umstand, der ernsthaft die Fitness der Vögel und damit ihre Fortpflanzung beeinträchtigen könne. Demnach flogen die Adler durchschnittlich 85 Kilometer weiter als vor dem Krieg. Die Reisezeit verlängerte sich für Weibchen von 193 Stunden vor 2022 auf 246 Kilometer während des ersten Kriegsfrühlings. Für Männchen waren es 181 statt 125 Stunden.

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Forschung im Kriegsgebiet ist fast unmöglich

„Für brütende Tiere in diesen Gebieten, die nicht so leicht auf Störungen reagieren können, sind diese Auswirkungen viel größer“, sagte Hauptautor Charlie Russel, Doktorand an der University of East Anglia, in einem Statement. „Der Krieg in der Ukraine hat verheerende Auswirkungen auf Menschen und die Umwelt. Unsere Ergebnisse erlauben einen seltenen Einblick darin, wie Krieg die Tierwelt beeinflusst“, so Russel.

Vor dem Krieg wollten die Forscher untersuchen, wie sich Wetterverhältnisse und Umweltbedingungen auf die Schelladler auswirken. Die Zahlen von Zugvögeln wie dem Schelladler sinken weltweit drastisch, ein genaues Verständnis ihres Verhaltens sei deshalb wichtig, heißt es im Statement. Die Studie warnt davor, wie Konflikte in Ländern mit einer hohen Biodiversität enorme Schäden verursachen können.

Der Krieg in der Ukraine führt zu Waldbränden, einer Verunreinigung des Grundwassers und toxischen Kampfstoffen in der Umwelt. Laut dem Klima-Experten Opanasenko sind 20 Prozent der Naturschutzgebiete vom Krieg betroffen, insgesamt eine Fläche von rund 1 Million Hektar, in der sich Forschung zur Auswirkung des Krieges auf Tiere und Pflanzen gestaltet sich in den Kriegsgebieten als schwierig. Umso wertvoller sind die Daten der Forscher zu den Adlern

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