Berlin. Sprechen müssen wir kaum noch, um den Alltag zu bewältigen. Kein Wunder, dass sich viele allein fühlen. Doch dagegen gibt‘s ein Rezept.

Einsam? Das werden wir doch erst im Alter, wenn überhaupt. Wenn die Freundinnen wegsterben, die Weggefährten, die Partner. Wenn die Kinder weit weg wohnen, wenn es sie überhaupt gibt.

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So weit, so falsch. Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und tritt in jedem Alter auf, und zwar zunehmend. Dass die Bundesregierung jetzt ein Programm auflegt, um die Einsamkeit zu bekämpfen, zeigt, wie allein viele Menschen tatsächlich sind. Und zwar nicht nur, weil ihnen die Angehörigen fehlen. Sondern auch, weil sie sich immer mehr in die eigenen vier Wände zurückziehen.

Birgitta Stauber ist Textchefin der FUNKE Zentralredaktion.
Birgitta Stauber ist Textchefin der FUNKE Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

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Wer Ursachenforschung betreibt, landet schnell bei Corona. Die Pandemie war sozusagen der verordnete Rückzug, aus dem nicht jeder selbstverständlich wieder rausgekommen ist.

Nicht erst seit Corona: Direkte Kommunikation wird seltener

Doch auch abgesehen von Lockdowns: Schon in den Jahren vor der Pandemie ist viel Spontanität im Alltag verloren gegangen. Und das hat mit der Digitalisierung zu tun. Mal schnell irgendwo anrufen oder gar anklingeln: Das ist für immer mehr Menschen eine große Hürde. Für Telefonate verabredet man sich selbstverständlich per WhatsApp, oft Tage im Voraus. Treffen im Freundeskreis werden immer komplizierter und lange in Chatgruppen diskutiert. Statt einfach direkt zu kommunizieren, werden Sprachnachrichten verschickt, die dann mit stunden- oder tagelanger Verzögerung beantwortet werden.

Befragung: Jeder vierte Erwachsene fühlt sich sehr einsam

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    Hinzu kommen diverse Serviceleistungen, für die längst keine direkte Kommunikation mehr nötig ist – die richtige App hilft bei der Suche nach dem Arzttermin oder der günstigsten Zugfahrkarte. Und der Gang ins Büro hat sich ohnehin dank Homeoffice für viele Menschen erledigt. Kurz: Wer dazu neigt, sich zurückzuziehen, hat es leicht. Schließlich lässt sich vom Sofa und Küchentisch aus inzwischen so gut wie alles erledigen, Shopping- und Kinoerlebnis inklusive.

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    Resiliente Persönlichkeiten wissen sicher den Komfort zu schätzen, den die rasant ablaufende Digitalisierung mit sich bringt. Die wenigsten werden auch die Zeit zurückdrehen wollen. Und doch muss die Gesellschaft womöglich erst noch lernen, damit umzugehen. Etwa so: Einfach mal beim Nachbarn klingeln, statt eine WhatsApp-Nachricht zu schicken. Nicht lange abwägen und spontan zusagen, wenn eine Einladung kommt. Ins Büro gehen, statt den Tag mit Wollsocken und altem T-Shirt vor dem Laptop zu verbringen. Das Internet nutzen, um neue Kontakte zu finden. Einfach gesagt: Runter vom Sofa, wann immer es geht.