London.. Mit einem heftigen Duell versucht der Premier, das Ruder bei den Umfragen herumzureißen. Die Bilanz seiner Amtszeit ist verheerend.

Rishi Sunak muss sich dem Wahlkampf stellen, es nützt alles nichts, und dazu gehört üblicherweise in Großbritannien auch eine Reihe an TV-Debatten. Am Dienstagabend lieferte er sich eine heftige Wortschlacht mit Labour-Chef Keir Starmer. Sunak, der in den Umfragen fast 20 Prozentpunkte zurückliegt, fiel Starmer oft ins Wort. Es war ein aggressiver Stil, doch in den Umfragen zum Duell punktete Sunak damit durchaus – in einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sahen 51 Prozent Sunak als Gewinner.

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Danach hatte es zuvor nicht ausgesehen, eine haushohe Niederlage für den Tory hatten Beobachter erwartet. Die Stimmung im Saal des TV-Studios war denn auch auch angespannt: Sunak ließ Starmer kaum zu Wort kommen, griff ihn an, fast so, als sei Sunak Oppositionsführer und der Labour-Mann Amtsinhaber. Starmer seinerseits rollte mit den Augen und rang die Hände. Der Eindruck: Da können sich zwei auch persönlich nicht leiden. Noch mindestens ein TV-Duell in der BBC soll folgen, ehe die Briten am 4. Juli ein neues Parlament wählen.

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Doch auch jetzt kann man schon festhalten: Für Rishi Sunak, den einstigen Hoffnungsträger der konservativen Partei, läuft es derzeit einfach nicht. Schon seine überraschende Ankündigung vorgezogener Neuwahlen fiel buchstäblich ins Wasser: Der Premier wurde vor seinem Amtssitz von einem schweren Regenschauer erwischt.

Steht im Regen und kündigt Neuwahlen an: Premierminister Rishi Sunak.
Steht im Regen und kündigt Neuwahlen an: Premierminister Rishi Sunak. © Kin Cheung/AP/dpa | Unbekannt

Großbritannien: Tories stehen vor historischer Wahlniederlage

Seitdem muss er zuschauen, wie immer mehr seiner Abgeordneten das Weite suchen. Sogar Sunaks Vorgängerin Theresa May erklärte, dass sie bei den Wahlen nicht wieder antreten werde. Schon jetzt haben mehr Tory-Abgeordnete das Handtuch geworfen, als vor dem Erdrutschsieg von Tony Blair im Jahr 1997.

Die Tories stürzen in Umfragen immer weiter ab und steuern auf eine historische Niederlage zu. Rishi Sunak steht vor einem Scherbenhaufen. Wie konnte es so weit kommen?

Als die konservativen Abgeordneten Sunak im Oktober 2022 ins Amt des Parteichefs und Premierministers hievten, war die Stimmung noch anders. Nach den Skandalen unter Boris Johnson und dem libertären Fiebertraum der kurzen Amtszeit von Liz Truss saß aus der Sicht vieler Briten endlich wieder ein Erwachsener in der Downing Street.

Sunak und seinem Schatzkanzler Jeremy Hunt gelang es zunächst auch, die Wogen nach dem wirtschaftlichen Chaos zu glätten, das seine Vorgängerin Truss losgetreten hat. Sunak ging auf die EU zu und schaffte es, einen Streit um den wirtschaftlichen Status Nordirlands beizulegen. Das war beachtenswert. Aber das war es dann auch.

Großbritannien: Sunak hielt an umstrittenen Plänen für Asylbewerber fest

Seitdem zeigte es sich immer wieder, dass Sunak ein erzkonservativer Politiker ist. Er nahm immer mehr Abstand von den Klimazielen des Landes. Er stampfte ein geplantes Hochgeschwindigkeits-Bahnprojekt ein – und garnierte einen Post in den sozialen Medien dazu mit einem Foto, das ihn in einem Privatjet zeigte.

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Sunak hielt an den Plänen aus Johnsons Amtszeit fest, Asylbewerber noch vor Abschluss ihrer Verfahren nach Ruanda zu deportieren. Als das oberste Gericht des Landes die Abschiebungen im vergangenen November für illegal erklärte, brachte Sunak ein Gesetz auf den Weg, das es ihm erlaubte, den Beschluss der Richter zu ignorieren. Damit rückte er sein Land in die Nähe autoritärer Demokratien wie Ungarn.

Seine Serien von Pannen und Fehltritten kommt nicht einmal überraschend. Ein Blick ins Sunaks Lebenslauf belegt, dass der 44-Jährige ein miserables Urteilsvermögen hat. Im Sommer 2020, unmittelbar nach der ersten Covid-Welle, setzte er als Schatzkanzler ein Programm in Gang, bei dem die Regierung Restaurantbesuche bezuschusste. Die Maßnahme hatte Sunak offenbar ohne Rücksprache mit Experten getroffen. Die schützenden Impfungen gab es damals noch nicht. Kurze Zeit liefen die Notaufnahmen wieder mit so vielen schweren Covid-Erkrankten voll, dass das Land in den zweiten Lockdown musste.

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Rishi Sunak: Wirbel um seine Frau Akshata Murty

Nur wenige Monate vor seiner Ernennung zum Premier brach eine Kontroverse um Sunaks Frau Akshata Murty aus, die Tochter eines indischen IT-Milliardärs: Murty besaß einen umstrittenen (aber legalen) Steuerstatus, der es ihr erlaubte, in Großbritannien keine Steuern auf Einkommen aus dem Ausland zu zahlen. Die BBC schätzte, dass Murthy damit mehr als zwei Millionen Pfund an Steuern im Jahr vermeiden konnte. Murty gab nach und erklärte, dass sie in Zukunft auch ihr Einkommen aus dem Ausland in Großbritannien freiwillig versteuern würde.

Premier Rishi Sunak und seine Frau Akshata Murty in Manchester (Archivbild): Murty machte Schlagzeilen mit einem umstrittenen, wenn auch legalen Steuerstatus.
Premier Rishi Sunak und seine Frau Akshata Murty in Manchester (Archivbild): Murty machte Schlagzeilen mit einem umstrittenen, wenn auch legalen Steuerstatus. © AFP | OLI SCARFF

Etwa zur selben Zeit wurde bekannt, dass Sunak selbst als Mitglied der Regierung noch immer eine Green Card besaß, eine Arbeitserlaubnis für die USA. Ein schwerwiegender Patzer für ein Mitglied der britischen Regierung. Betrachtete Sunak seinen damaligen Job als Schatzkanzler etwa nur als Zwischenjob?

Premier Sunak: Statt Wiederwahl – hat er ganz andere Pläne?

Es verwundert nicht, dass immer mehr Beobachter mutmaßen, dass er die Wahlen gar nicht gewinnen möchte – und stattdessen schon jetzt seinen Umzug nach Kalifornien plant. Schließlich gehört seiner Frau und ihm im Küstenort Santa Monica eine Penthouse-Wohnung. Sunak wies die Spekulationen, die zunehmend auch aus den eigenen Reihen kommen, vor wenigen Tagen zurück.

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Doch ob die Liebe, die Sunak eigenen Worten nach den Briten entgegenbringt, erwidert wird, ist fraglich. Er selbst läuft Gefahr, seinen Sitz im nordenglischen Richmond zu verlieren. Dabei ging der seit 1910 jedes Mal an die Tories. Unter Umständen würden die Wählerinnen und Wähler Sunak damit einen Gefallen tun. Einem Umzug nach Kalifornien stünde dann nämlich nichts mehr im Weg.