Berlin. Die Regierung muss in der Migrationspolitik schnell liefern. Die Erwartungen sind groß – und können eigentlich nur enttäuscht werden.

Die deutsche Debatte über Flucht und Asyl krankt häufig an der Ungeduld, mit der sie geführt wird. Viele Kommunen hierzulande sind am Anschlag. Sie haben erhebliche Probleme, die große Zahl von Schutzsuchende unterzubringen und zu versorgen. Also müssen schnell Lösungen her – nicht nur für Probleme des Alltags, sondern am besten zur Eindämmung unerwünschter Migrationsströme insgesamt. Die Erwartungen von Gemeinden und Ländern an die Bundespolitik sind immens. Und auch die Bürger wollen Ergebnisse sehen. Bei der jüngsten Europawahl spielte das Thema Migration eine entscheidende Rolle.

Innenminister einig bei Abschiebung von «Gefährdern»

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    Dieser Handlungsdruck führt dazu, dass im politischen Raum im Abstand von wenigen Wochen immer neue Instrumente so diskutiert werden, als würden sie jetzt wirklich den Durchbruch bringen bei den Bemühungen, die Migration besser zu steuern, Schleppern das Handwerk zu legen und abgelehnte Asylbewerber tatsächlich außer Landes zu schaffen. Man konnte das zuletzt bei den aufgeregten Debatten über die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge beobachten oder beim Streit über die Abwicklung von Asylverfahren außerhalb der EU-Grenzen. Jede Maßnahme kann für sich ein sinnvoller Baustein sein. Doch Migration ist ein vielschichtiges Phänomen, ein globales überdies. Man kann es nicht mal eben mit einem einzelnen Federstrich in den Griff bekommen.

    Abschiebungen: Ministerin Faeser bemüht sich um Abkommem mit Drittstaaten

    An überzogenen Erwartungen krankt auch die Debatte über die Abschiebung von Schwerstkriminellen und islamistischen Gefährdern in Länder, in die derzeit eigentlich gar nicht abgeschoben werden kann. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Latte hier ziemlich hoch gehängt: „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte er vor einigen Wochen im Bundestag. Das geschah unter dem Eindruck der Messer-Attacke von Mannheim, bei der ein Afghane einen Polizisten getötet und mehrere Menschen verletzt hatte. Der Druck auf die Bundesregierung, hier jetzt auch zu liefern, ist enorm. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bemüht sich um Abkommen mit Drittstaaten, über die dann diese Abschiebungen abgewickelt werden könnten.

    Politik-Korrespondent Thorsten Knuf
    Politik-Korrespondent Thorsten Knuf © Funke Foto Services | Reto Klar

    Auch hier gilt: Für sich genommen mag dieser Ansatz sinnvoll sein. Nur sollte niemand glauben, dass sich auf diese Weise nur ein einziges der grundlegenden Probleme im Zusammenhang mit Flucht und Asyl lösen ließe. Die Zahl der Fälle dürfte überschaubar bleiben. Die Zahl derjenigen Männer und Frauen, die Deutschland verlassen sollen, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden können, wird kaum signifikant sinken. Kein Islamist wird davon abgehalten, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen.

    Vermeintliches Vorbild Schweden: Nur sehr wenige Fälle

    In der politischen Debatte hierzulande wird oft Schweden als Beispiel für ein Land angeführt, das auch in das von den Taliban beherrschte Afghanistan abschiebt. Wer genauer hinschaut, der sieht, dass man die Fälle dort zuletzt an einer Hand abzählen konnte. Zugleich muss sich Deutschland womöglich auf Arrangements mit den Menschenschlächter-Regimen in Kabul und Damaskus einlassen, damit diese im Ernstfall tatsächlich ihre Staatsbürger zurücknehmen und menschenwürdig behandeln. Ohne Gegenleistung wird das nicht zu haben sein.

    'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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    Die Wahrheit ist: Die Asyl- und Migrationspolitik ist in all ihren Facetten eine unglaublich zähe Angelegenheit. Die demokratischen Parteien täten gut daran, das anzuerkennen und sich in der öffentlichen Debatte entsprechend defensiv zu verhalten. Und zwar selbst dann, wenn die nächsten Wahlen schon in Sicht sind.