Berlin. Die Regierung entwirft in einem neuen Dokument Szenario für den Ernstfall: Die Versorgung Deutschlands bei einem kriegerischen Angriff.

Was passiert, wenn Deutschland wieder Krieg führen muss? Die Bundesregierung hat sich nun in einem langen Dokument damit befasst und neue Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung beschlossen. Die bisherigen Bestimmungen stammten noch aus dem Jahr 1989, also sicherheitspolitisch aus einer anderen Zeit. „Erstmals seit Jahrzehnten ist Deutschland auch wieder militärisch bedroht“, heißt es in dem neuen Dokument. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnt: „Wir haben durch die russische Aggression eine völlig veränderte Sicherheitslage in Europa.“

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In den Richtlinien für die Gesamtverteidigung im Kriegsfall geht es nicht nur um die Bundeswehr, sondern etwa auch um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln – und Informationen. „Wir erleben derzeit eine verschärfte Bedrohungslage: Im Cyberraum, durch Drohnen über Bundeswehrliegenschaften, Desinformationskampagnen und klassische Sabotage“, erklärt Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Herausforderung. „Es ist wichtig, dass wir gesamtstaatlich darauf reagieren.“

Pistorius warnt davor, dass Russlands Präsident Wladimir Putin sein Land und die russische Wirtschaft vollkommen auf Krieg einstellt, in einigen Jahren könne er so weit sein, auch die Nato anzugreifen. Für diesen Fall müsse Deutschland „kriegsbereit“ sein, fordert der deutsche Verteidigungsminister. Was das konkret bedeutet, lässt sich in den neuen Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung nachlesen. Einige Beispiele zur Versorgung der Bevölkerung mit dem Notwendigsten:

Versorgung mit Lebensmitteln

Im Krisenfall unterstütze der Staat die Grundversorgung der Zivilbevölkerung und der Bundeswehr „mit lebensnotwendigen Lebensmitteln über regulierende Eingriffe in die Lebensmittelkette“, heißt es in der Krisenfallplanung. Dies sei möglich, wenn die Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs „in wesentlichen Teilen“ des Bundesgebiets ernsthaft gefährdet sei. Konkret heißt das: Lebensmittel könnten nicht in Supermärkte gelangen, sondern vom Staat verteilt werden.

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    Klar wird auch, welche Lebensmittel knapp werden können: „Bei bestimmten Produkten ist die Bundesrepublik Deutschland kein Selbstversorger; insbesondere bei Obst und Gemüse, pflanzlichen Ölen und Fetten sowie bei Eiweißfuttermitteln ist der durch Einfuhren zu deckende Zuschussbedarf hoch.“ In einer Krise und im Verteidigungsfall müsse aber mit einem Rückgang der Einfuhren, „insbesondere der Überseeimporte, aber auch mit Störungen bei der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln gerechnet werden“.

    Staatliche Vorräte

    Zur Überbrückung von Versorgungsengpässen bevorratet der Bund verteilt über das gesamte Bundesgebiet Lebensmittel wie Getreide: „Die Bundesreserve Getreide dient der Sicherstellung der Mehl- und Brotversorgung und besteht aus Brotgetreide (Weizen, Roggen) sowie Hafer.“ Mit dieser Notfallreserve des Bundes solle die Bevölkerung insbesondere in Ballungsgebieten „bei unzureichender Verpflegungslage über einen gewissen Zeitraum mit einer warmen Mahlzeit am Tag“ versorgt werden können: „Die zivile Notfallreserve besteht aus gebrauchsfertigen Grundnahrungsmitteln (Reis, Hülsenfrüchte, Kondensmilch).“ Auch die Bundeswehr verfügt über einen Vorrat, um die „operative Handlungsfähigkeit im Einsatz“ sicherzustellen. Wo die staatlichen Lager sich befinden, ist geheim.

    Private Vorräte

    Die staatliche Ernährungsvorsorge trage nur dazu bei, „kurzfristig“ Versorgungsengpässe in Krisensituationen zu überbrücken. „Sie bedarf jedoch einer ergänzenden privaten Ernährungsnotfallvorsorge“, wird in dem Papier der Bundesregierung gewarnt. „Diese ist das wirksamste Mittel zur Vorsorge für eine Versorgungskrise.“ Bürger sollten einen individuell zusammengestellten privaten Lebensmittelvorrat für zehn Tage vorhalten, lautet die Forderung an die Bevölkerung.

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    Überhaupt warnt die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger davor, sich im Kriegsfall allein auf den Staat zu verlassen: „Wegen der Möglichkeit des gleichzeitigen Eintritts von Schäden an einer Vielzahl von Orten können die Bürger nicht damit rechnen, dass überall sofort staatlich organisierte Hilfe geleistet werden kann“, schreibt die Bundesregierung. „Sie müssen deshalb darauf vorbereitet sein, sich zunächst selbst zu helfen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Fertigkeiten auch Nachbarschaftshilfe zu leisten.“

    Rolle der Medien

    Die Medien spielen im Krisenfall aus Sicht des Staates eine bedeutende Rolle – etwa um die Bevölkerung zu warnen oder über Engpässe mit Lebensmitteln, Energie oder Wasser zu informieren. „Zur Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen im äußeren Notstand“ seien Bundesregierung und die Landesregierungen auf die Mitwirkung der Medien angewiesen: „Notwendige Bekanntgaben und Verkündungen sowie sonstige Verlautbarungen und Informationen müssen übermittelt werden können“, heißt es in dem Planungsdokument. „Es ist sicherzustellen, dass amtliche Verlautbarungen der Bundesregierung bundesweit gesendet werden.“