Berlin. Deutschlands oberste Strahlenschützerin erklärt, wie der Klimawandel unseren Alltag verändern wird und wie wir uns gegen UV-Strahlen schützen können.

In den Sommermonaten steigt die Gefährdung durch UV-Strahlen. Inge Paulini ist Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz und weiß, was dagegen hilft. Im ersten Teil des Interviews spricht sie über den Schutz vor der Sonne, die richtige Dosierung bei der Sonnencreme und erklärt, wie sich unser Leben in den nächsten Jahren durch den Klimawandel verändern wird.

Frau Paulini, haben Sie sich heute Morgen mit Sonnenschutz eingecremt?

Nein.

Warum nicht?

Ich wusste, ich werde den ganzen Tag im Büro sein. Dann ist das nicht erforderlich.

Hier geht es zu Teil 2 des Interviews: Radioaktives Gas sorgt für Gefahr: „Das unterschätzen viele“

Viele nutzen inzwischen das ganze Jahr über Hautcremes mit Lichtschutzfaktor…

Es schadet nicht, aber es ist nicht nötig. Wir müssen uns vor allem dann schützen, wenn wir uns der Sonne stark aussetzen. Dazu gibt es drei Schritte. Erstens: Bei intensiver Strahlung, wenn also der UV-Index hoch ist, sollte man sich zwischen 11 und 15 Uhr nicht in der prallen Sonne aufhalten. Zweitens: An solchen Tagen müssen wir den Körper mit Kleidung, Kopfschutz und Brille schützen. Drittens: Die unbedeckten Stellen müssen wir eincremen. Ich warne davor, dass man sich nur auf die Sonnencreme verlässt.

Inge Paulini ist Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz.
Inge Paulini ist Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Deutschland cremt zu viel und schützt zu wenig?

Es ist nicht so, dass ich morgens Sonnencreme nehme und dann ist alles gut.

Ihre Faustregel für die perfekte Sonnencreme-Nutzung?

Viel hilft viel. Viele Leute cremen sich zu dünn ein. Um Kopf und Hals zu schützen braucht man zwei Fingerlängen voll Creme. Wenn man den ganzen Körper eincremen will, sollten es 3 - 4 Esslöffel sein. Wichtig ist auch, dass man regelmäßig nachcremt und einen möglichst hohen Lichtschutzfaktor nimmt.

Wo finde ich den aktuellen UV-Index? Die Wetter-Apps sind oft nicht solide, oder?

Wir messen inzwischen an 43 Stellen in Deutschland den UV-Index. Auf unserer Homepage findet man die aktuellen Werte und von April bis September die Drei-Tages-Prognose.

Im dritten Teil des Interviews geht es um atomare Bedrohungen: „Müssen uns auf Unfälle in Atom-Anlagen einstellen“

UV-Strahlen kommen auch durch Glas. Wie sollte man sich bei langen Autofahrten schützen?

Vor UV-B-Strahlung ist man im Auto gut geschützt. Sie wird von den Scheiben abgehalten – darum bekommt man im Auto auch keinen Sonnenbrand. Vor UV-A schützt die Windschutzscheibe ebenfalls, die Seitenscheiben jedoch nicht. Man kann deshalb UV-Folien nutzen, die auf die Scheiben aufgezogen werden. Oder Sonnenschutzblenden, die an die Scheiben angebracht werden. Da sollte man jedoch darauf achten, dass sie nicht die Sicht des Fahrers einschränken.

Sind die Deutschen immer noch zu naiv mit Blick auf die UV-Strahlung?

Viele unterschätzen immer noch, dass jeder einzelne Sonnenbrand das Risiko für Hautkrebs erhöht. Wir versuchen deswegen immer wieder, für die Gefahren sensibel zu machen – zum Beispiel mit den 200 kostenlosen Sonnencreme-Spendern an den zehn Austragungsorten der Fußball-Europameisterschaft.

Sollte man überall im öffentlichen Raum Sonnenmilch gratis bekommen?`

Das wäre schön, wir versuchen jetzt erstmal, die 200 Spender nach der EM weiter zu nutzen.

Ist die Sonne in den vergangenen Jahren aggressiver geworden?

Die Zahl der Sonnenstunden hat sich mit dem Klimawandel erhöht. Mehr wolkenlose Tage bedeuten mehr Zeit, in der uns UV-Strahlung ungehindert erreichen kann. In Jahren mit einer hohen Anzahl an Sonnenstunden ist die UV-Jahresdosis höher als normal. Die Menschen sind also in solchen Jahren insgesamt mehr UV-Strahlung ausgesetzt und das wiederum steigert das Risiko für Hautkrebs. Jedes Jahr kommen im Moment über 300.000 neue Hautkrebsfälle dazu. Und derzeit versterben pro Jahr 4400 Menschen daran.

Wo stehen wir in zehn Jahren? Gehen wir noch in die Sonne?

Wir werden vom Süden lernen, wir werden unsere Gewohnheiten anpassen. Sich anziehen statt ausziehen, wenn die Sonne scheint und die Mittagszeit in Innenräumen verbringen, oft machen sie einfach Pause, weil es zu heiß zum Arbeiten ist. Und hier gehen Hitze- und UV-Schutz Hand in Hand. Das sind Regeln, die wir in Zukunft auch in Deutschland befolgen werden.

Was ist mit Berufen, die vor allem draußen stattfinden?

Menschen in diesen Berufen sind während ihrer Arbeitszeit hoher UV-Belastung ausgesetzt – und damit einem hohen Risiko, an hellem Hautkrebs zu erkranken. Seit 2015 ist eine Form des hellen Hautkrebses, das Plattenepithelkarzinom, und seine Vorstufen, die multiplen aktinischen Keratosen, als Berufskrankheit anerkennungsfähig. In diesen Berufen wird mit mehreren UV-Schutzmaßnahmen gearbeitet – Arbeitszeiten in die frühen Morgenstunden zu verschieben, wäre etwa eine Möglichkeit.

Aber ganz auf Sonnenstrahlen zu verzichten – das wäre auch falsch, oder? Sonne macht glücklich und hilft bei der Vitamin-D Bildung...

Wir brauchen die Sonne, ganz klar! Niemand sollte aus Angst vor UV-Strahlung nicht mehr rausgehen. Aber man sollte sich gut schützen.

Nicht nur UV-Strahlen können die Zellen schädigen. Wie hat sich die Strahlenbelastung durch medizinische Untersuchungen entwickelt?

Etwa die Hälfte der Strahlenbelastung der Bevölkerung entsteht durch diagnostische Strahlenanwendungen bei Patientinnen und Patienten, vor allem Röntgenuntersuchungen. Diese Belastung blieb in den letzten Jahren weitgehend konstant, obwohl die Häufigkeit der Computertomographien (CT), die vergleichsweise dosisintensiv sind, zugenommen hat. Ein CT geht heute mit einer viel geringeren Strahlendosis einher als früher. Für die behandelnden Medizinerinnen und Mediziner bleibt die Herausforderung, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob der gesundheitliche Nutzen eines Bildes größer ist als das Strahlenrisiko.

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Inge Paulini ist seit 2017 Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz. 1960 in Siebenbürgen in Rumänien geboren, studierte sie Ökotrophologie (Ernährungs- und Haushaltswissenschaft) in Bonn. Seit 2009 war sie als Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen in der wissenschaftlichen Politikberatung tätig. Zuvor leitete sie im Umweltbundesamt unter anderem die Abteilung für Nachhaltigkeitsstrategien und das Fachgebiet für Grundsatzfragen.

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